Das Projekt
Durch die Energiewende nimmt die Bedeutung der Verschiebung von Verbräuchen (Flexibilität) im deutschen Stromnetz weiter zu. Bisher ist diese Flexibilität meist Sache der Energielieferanten, die Möglichkeiten der Verbraucherinnen und Verbraucher hingegen werden nahezu vernachlässigt. Aufgrund des steigenden Ausbaus Erneuerbarer Energien (hauptsächlich Wind- und Sonnenenergie) im Zusammenhang mit der Energiewende und den damit verbundenen starken (wetterbedingten) Schwankungen in der Einspeisung der erzeugten Energie, wächst jedoch die Notwendigkeit, den Verbrauch an das Energieangebot anzupassen. Dabei sollen Lastverschiebungspotenziale genutzt werden, d. h. zeitlich flexible Prozesse sollen in Zeiten günstigen Stromangebots verschoben werden.
Das Projekt AutoFlex beschäftigt sich mit der Entwicklung eines dynamischen Stromtarifs, um Flexibilitäten für private und gewerbliche Verbraucher *innen nutzbar zu machen. Dynamische Stromtarife bieten eine Möglichkeit, die Nachfrage an das Stromangebot anzupassen, wodurch die Integration Erneuerbarer Energien gefördert und die Rolle des Verbrauchers am Strommarkt gestärkt wird. Gleichzeitig erhalten Stromkund*innen eine Möglichkeit, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verringern und Energiekosten einzusparen.
Das Ziel
Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines dynamischen Stromtarifs, der die Strompreisschwankungen der Strombörse an die privaten und gewerblichen Kund*innen eines Energieversorgers weitergibt. Dies geschieht durch eine automatisierte Steuerung der Anlagen und Geräte, die für eine Lastverschiebung geeignet sind. Über Preissignale werden energieintensive Prozesse, die zeitlich verschiebbar und damit flexible sind, in Zeiten geringer Strompreise verschoben, da zu diesem Zeitpunkt ein ausreichendes Angebot an Strom vorliegt (bspw. bei viel Sonne oder viel Wind). Das können sowohl Anlagen kleinerer Gewerbebetriebe (z. B. Backöfen in Bäckereien, Kühl- und Klimaanlagen in Supermärkten) oder Geräte in Privathaushalten (z. B. Ladesäulen für Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen) sein.
Das Vorgehen
Das Projekt setzt in seiner Forschungsarbeit verschiedene Schwerpunkte:
Potenzialanalyse flexibler Verbraucherinnen und Verbraucher – Das Projektteam untersucht, wo im Bereich der Privat- und Gewerbekundinnen und -kunden Potenziale zur Lastverschiebung vorliegen. Zur schnellen und einfachen Abschätzung der Flexibilität wird eine geeignete Methode entwickelt. Geeignete Zielgruppen bzw. Prozesse werden identifiziert, akquiriert und auf ihre Eignung geprüft.
Gestaltung eines dynamischen Stromtarifs –Das Projektteam untersucht die Anforderungen, die private und gewerbliche Kundinnen und Kunden an einen dynamischen Stromtarif stellen. Auf Basis der Anforderungen an bspw. das Preismodell, die Abrechnung, die Visualisierung und weiterer Aspekte wird ein dynamischer Stromtarif erarbeitet.
Entwicklung von Handelsstrategien – Neben der Entwicklung eines dynamischen Stromtarifs gilt es, eine geeignete Handelstrategie zu erarbeiten, sodass die Flexibilitäten unter gegebenen Restriktionen vermarktet werden können.
Konzeptionierung einer Automatisierungstechnik zur Ansteuerung der Flexibilitäten – Die Preissignale des dynamischen Stromtarifs sollen vollautomatisiert zwischen dem Energieversorger und den Gewerbe- und Privatkundinnen und -kunden übertragen werden. Dafür braucht es eine geeignete Automatisierungstechnik, die es im Laufe des Projektes zu entwickeln und umzusetzen gilt. Das Ergebnis ist eine kostengünstige und leicht zu installierende AutoFlex-Steuerungsbox, die die Preissignale automatisiert an die flexiblen Prozesse weitergibt und diese dadurch steuert.
Praxistauglichkeit eines dynamischen Stromtarifs – Der entwickelte dynamische Stromtarif wird bei geeigneten Kundinnen und Kunden während eines Feldtests umgesetzt und auf seine Praxistauglichkeit geprüft. Flexible Prozesse werden mit der entwickelten Automatisierungstechnik ausgestattet und es wird eine Datenkommunikation zwischen den Kund*innen und dem Energieversorger aufgebaut.
Untersuchung der Kundenakzeptanz – Im Projekt soll die Akzeptanz der privaten und gewerblichen Kund*innen eines Energieversorgers gegenüber einem dynamischen Stromtarif untersucht werden. Eine Hemmnisanalyse sowie ein Maßnahmenkatalog zur Akzeptanzsteigerung stehen im Fokus der Untersuchung.
Die Historie
Die Vorgängerprojekte Happy Power Hour I & II hatten das Ziel, Lastverschiebungen größerer und mittelständischer Industrieunternehmen durch dynamische Stromtarife zu aktivieren. Damit erhielten diese die Möglichkeit, ihre Strombezugskosten zu verringern und zum Erfolg der Energiewende beizutragen. Das Projektkonsortium konnte zeigen, dass bei mittelständischen Industrieunternehmen großes Verlagerungspotenzial besteht. Im Forschungsprojekt Virtual Power Plant – Hebung von Flexibilitäten in großstädtischen Strukturen wurde außerdem nachgewiesen, dass auch Privatkundinnen und -kunden Interesse an der Verlagerung ihrer Verbräuche zeigen. Das Projekt AutoFlex soll nun auf die erzielten Ergebnisse aufbauen und einen dynamischen Stromtarif für Privat- und Gewerbekundinnen und -kunden entwickeln.
Der dynamische Stromtarif
Das Projekt beschäftigt sich mit der Entwicklung eines dynamischen Stromtarifs. Doch was ist ein dynamischer Stromtarif?
Die meisten Versorgungsverträge, die Stromkund*innen mit ihren Energieversorgern abschließen, beinhalten einen festen Strompreis, d. h. der Strom kostet den Verbraucher und die Verbraucherin während der Vertragslaufzeit immer gleich viel.
Strom ist aber nicht zu jedem Zeitpunkt gleich viel wert, denn die Strompreise ergeben sich aus Angebot und Nachfrage. Das Angebot wird heutzutage durch die Einspeisung der Erneuerbaren Energien stark beeinflusst. So ist an der Strombörse EPEX SPOT in Paris zu Zeiten hoher Einspeisung durch z. B. Photovoltaik- oder Windkraftanlagen der Strompreis relativ günstig und kann sogar in Ausnahmefällen negativ werden, d.h. der Lieferant muss sogar dafür bezahlen, dass ihm jemand den Strom abnimmt, weil sonst das Stromnetz geschädigt würde. Bei niedriger Einspeisung der Erneuerbaren Energien ist ein Anstieg des Strompreises zu erwarten. Der Wert des Produkts „Strom“ hängt somit zum einen davon ab, über welche Handelsplattform man ihn bezieht und zum anderen, zu welchem Zeitpunkt man dies tut. Durch geschicktes Handeln in Kombination mit geeigneten verschiebbaren Lasten können die verschiedenen Vorteile der unterschiedlichen Handelsplattformen ohne Risiko miteinander vereint werden.
Dynamische Stromtarife geben die Strompreisschwankungen der Strombörse an die Kund*innen eines Energieversorgers weiter. Über Preissignale werden Prozesse, die nicht zu einem festen Zeitpunkt stattfinden müssen und damit flexibel sind, in Zeiten geringer Strompreise verschoben. Ein Vorteil eines dynamischen Stromtarifs ist, dass dieser lediglich einen Anreiz gibt, Prozesse in preisgünstige Zeiten zu verschieben. Die Entscheidung, ob und wieviel Last verschoben wird, liegt in jedem Fall immer bei den Gewerbe- und Privatkundinnen und -kunden.
Viele Abläufe im gewerblichen und privaten Bereich bieten eine solche Möglichkeit zur Lastverschiebung, weil sie im Tages- oder Wochenverlauf so liegen, dass sie sich zeitlich verschieben lassen (z. B. Ladeprozess von E-Fahrzeugen, Wasch- und Spülprozesse, Wärmepumpen). Das Forschungsprojekt AutoFlex beschäftigt sich mit der Entwicklung eines dynamischen Stromtarifs, der die Strompreisschwankungen der Strombörse an die privaten und gewerblichen Kund*innen eines Energieversorgers weitergibt. Hierbei sollen alle Handelsplattformen der Strombörse EPEX SPOT berücksichtig werden.
Abbildung 1 zeigt die Preisverläufe einer beispielhaften Woche aus dem Jahr 2020 der sogenannten Day-Ahead-Auktion sowie des minimalen und maximalen Preises des kontinuierlichen Intraday-Handels.
Abbildung 1: Volatilität der Strombörse EPEX SPOT in Paris