Die Stabilität im Stromnetz basiert auf einem steten Gleichgewicht zwischen Stromerzeugung und –verbrauch. Im Zuge der Energiewende nimmt die Bedeutung der Flexibilität im deutschen Energieversorgungsnetz immer weiter zu. Bisher wird die benötigte Flexibilität meist durch die Erzeugerseite gedeckt, die Verbraucherseite hingegen wird nahezu vernachlässigt. Aber auch die Verbraucherseite kann künftig einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten.
Abbildung 1 zeigt die unterschiedlichen Vermarktungsmöglichkeiten für industrielle Flexibilitäten. Hierbei ist prinzipiell zwischen der Erbringung von Systemdienstleistung dem sogenannten „Demand-Side-Management“ (DSM) und dem Reagieren auf Strompreissignale dem sogenannten “Demand-Response“ (DR) zu unterscheiden.
DSM ist eine Systemdienstleistung zur Bereitstellung von Regelenergie mit dem Ziel, die Frequenz im Stromversorgungsnetz bei 50Hz zu halten. Möchte ein Industrieunternehmen Regelenergie mit vorhandenen flexiblen Prozessen bereitstellen, so muss es aufgrund von Schaltsignalen Dritter, ohne vorherige Ankündigung, sofort die jeweiligen Prozesse An- bzw. Abschalten. Diese Regelenergieprodukte stellen teils hohe technische Anforderungen an die jeweiligen Prozesse. So muss beispielsweise bei einem Regelenergieabruf nach 30 Sekunden (PRL), 5 Minuten (SRL) bzw. 15min (MRL) 100% der vermarkteten Regelleistung zur Verfügung stehen. Außerdem muss die vermarktete Regelenergie zu jedem Zeitpunkt des Vermarktungszeitraums vorgehalten werden.
Erfüllt ein flexibler Industrieprozess nicht den technischen Anforderungen der jeweiligen Regelenergieprodukte, so kann er nicht über diese vermarktet werden. Durch die hohen technischen Anforderungen der Regelenergieprodukte sind bei weitem nicht alle flexiblen Industrieprozesse für DSM geeignet. Für die flexiblen Industrieprozesse, welche die technischen Anforderungen erfüllen, ist DSM eine sehr lukrative Möglichkeit die jeweilige Flexibilität eines Prozesses zu vermarkten.
Beim DR dagegen handelt es sich um keine Systemdienstleistung, sondern um eine (freiwillige) Optimierung auf externe Signale, beispielsweise dynamischer Stromtarife, welche sich aus den Spotmärkten ergeben.
Abbildung 2 zeigt einen beispielhaften Strompreisverlauf der Day-Ahead-Auktion an der EPEX-Spot, der Stromhandelsplattform für kurzfristigen Stromhandel. Strom ist an der Strombörse nicht zu jedem Zeitpunkt gleich viel wert, sondern unterliegt teils starken Preisschwankungen. Zu Zeiten hoher Einspeisung erneuerbarer Energien und niedriger Nachfrage kann es sogar zu negativen Strompreisen kommen. Anders herum kommt es zu Zeiten niedriger Einspeisung erneuerbarer Energien und hoher Nachfrage zu sehr hohen Strompreisen. Ein Hemmnis für die Anwendung von DR ist bisher, dass kaum ein Industrieunternehmen die benötigte Energie an der Strombörse handelt, sondern die Energie von einem Energieversorger bezieht, mit welchem ein statischer Strompreis ausgehandelt wird. Unternehmen, welche nicht an der Strombörse handeln, profitieren somit nicht von den Strompreisschwankungen an der Strombörse und haben somit kein Lastverschiebungsanreiz.
Durch die Entwicklung und den Einsatz dynamischer Stromtarife kann die nicht über DSM vermarktbare und somit wertlose Flexibilität von Industrieunternehmen gewinnbringend vermarktet werden. Dynamische Stromtarife bilden somit eine quasi nicht regulierte bzw. nur vom jeweiligen Energiedienstleister bestimmte Handelsplattform zur Vermarktung von industrieller Flexibilität für Industrieunternehmen, welche nicht selber an der Börse ihre Energiemengen handeln.
Der Vorteil von DR ist, dass die Eigenschaften der dynamischen Stromtarife an die Anforderungen bzw. der Flexibilitätsoptionen der jeweiligen Industrieunternehmen durch den Energieversorger frei angepasst werden können. Aus diesem Grund können Flexibilitätsoptionen, welche für DSM aufgrund regulatorischer Rahmenbedingungen nicht vermarktet werden können, durch DR vermarktet werden.